Immer mehr unserer Kommunikation läuft nicht mehr beim persönlichen Zusammensitzen. Die Zahl der Möglichkeiten, wie Sie auch über große Entfernungen hinweg mit mittlerweile meist sehr guter Qualität von Bild und Ton Videokonferenzen durchführen können, ist inzwischen sehr groß – wenn das Internet mitspielt … Das schafft großartige Chancen!
Doch ich beobachte, dass viele die Eigenheiten der virtuellen Kommunikation unterschätzen.
Gegenüber oder weit weg?
Wenn Sie Ihrem Gesprächspartner vis-à-vis sitzen und über eine Sache sprechen, sehen Sie, ob er lächelt und nickt oder die Stirn runzelt. Und auch die Gestik ist immer ganz hilfreich. Sie können also ziemlich gut direkt beurteilen, ob er verstanden hat, was Sie meinen, oder ob er zweifelt. Und wenn Sie nach Ihrem Gespräch noch eine Unklarheit haben und der andere sitzt im Büro nebenan, ist es ein Leichtes, schnell hinüber zu gehen und kurz mit ihm darüber zu sprechen. Das sind Selbstverständlichkeiten, wenn Sie direkt kommunizieren können.
Befindet sich Ihr Gegenüber hunderte oder tausende Kilometer entfernt und Sie kommunizieren nur virtuell, sehen Sie eben nicht, ob Ihr Kollege fragend schaut oder bei einer scheinbar sarkastischen Bemerkung grinst. Da kann es schnell zu Missverständnissen kommen.
So habe ich vor einiger Zeit mit vielen Mitarbeitern einer großen europäischen Organisation in einem großen Projekt an verschiedenen Standorten zusammengearbeitet.
Zusammenarbeit mit Hindernissen
Diese arbeiteten teilweise schon zehn Jahre miteinander, ohne sich jemals persönlich getroffen zu haben. Einer dieser Mitarbeiter war unter den Mitarbeitern am anderen Standort sehr unbeliebt: Er schreibe immer so eigenartige E-Mails, meinten diese.
Weil wir innerhalb des Projekts erkannten, dass das fehlende persönliche Zusammentreffen dringend ausstand, organisierten wir ein Treffen. Hinterher berichteten mir Mitarbeiter, dass sie nun ein ganz anderes Bild von vielen und auch gerade von diesem Kollegen hätten. Sie sagten: „Was für ein netter Typ! Der meint das ja immer witzig, was wir für seltsam hielten oder aber einfach für Kritik hielten.“
Das heißt nicht, dass Kommunikation virtuell nicht funktionieren kann. Sie verläuft nur eben anders und ist für bestimmte Dinge besser, für andere schlechter geeignet und dessen müssen wir uns bewusst sein.
Regeln für das Anders
Ich habe mir zum Beispiel in meinen Unternehmen angewöhnt, v. a. bei virtuell organisierten Projekten extrem strukturiert in die Kommunikation zu gehen. Wir legen im Team vorher fest, worum es geht, was die Abläufe sind, dann direkt im Gespräch, welche Termine zu halten sind und wer bei welcher Aufgabe involviert sein soll. Das erspart uns bereits unnötige CC-Kaskaden per Mail. Jeder weiß, an wen er sich wegen was zu wenden hat. Und für jedes virtuelle Teamgespräch bereiten wir vorher eine Agenda vor, damit wir uns möglichst klar verständigen können.
Eines habe ich auch gelernt im Umgang mit virtueller Zusammenarbeit: Wenn es Unklarheiten gibt, kläre ich sie sofort. Wenn Sie sich nicht direkt gegenübersitzen, entstehen aus kleinen kommunikativen Missverständnissen so viel schneller große Fehler. Es ist dann für alle Beteiligten ungleich frustrierender festzustellen: Sie sind von einem unterschiedlichen Verständnis ausgegangen und das Projekt hat deshalb nicht das Ziel erreicht, das Sie sich vorgenommen haben.
So kann auch eine rein virtuelle Zusammenarbeit zum Erfolg führen. Sie kann sogar zu einem herzlichen Verhältnis führen …
Ein besonderer Weg
Ich arbeite seit 15 Jahren mit einem IT-Manager aus Los Angeles zusammen. Wir haben uns noch kein einziges Mal persönlich getroffen und doch verstehen wir uns ausgezeichnet. Wir haben eben den Weg einer gelungenen virtuellen Zusammenarbeit gefunden.
